Mit dem Boot von Leticia, Kolumbien nach Iquitos, Peru
Ganz im Südwesten Kolumbiens liegt Leticia, umgeben vom Amazonas Dschungel. Nur per Flugzeug oder Boot erreichbar, gibt es erstaunlich viel Motorrad- und Autoverkehr, denn sehr weit kommen sie hier nicht, nur ein paar Kilometer nach Brasilien.
So herrscht ausgerechnet im größten Urwaldgebiet der Welt schlechte Luft. Ich quartierte mich erstmal im Leticia-Hostel ein. Der Swimmingpool lud bei 95 % Luftfeuchtigkeit und 35 Grad Celsius zum Abkühlen ein, der Outdoor-Bereich zum Relaxen in Hängematten, während man dem lauten Verkehr lauschen durfte.
Im Vorfeld hatte ich gehört, wie die Insekten im Dschungel einen bei lebendigem Leib fressen, und bei einer Belgierin riesige, ein paar Wochen alte Insektenstiche gesehen. Über den neuen Chikungunya-Virus hörte ich, daß er einen für Monate außer Gefecht setzt und Malaria ist auch noch nicht ausgerottet. Offene Wasserbehälter sollen für diese Mücken besonders attraktiv sein. Seltsam, daß die meisten hier offen stehen.
Die üblich-verdächtigen Dschungel-Touren werden überall angeboten. Zum Beispiel eine Bootfahrt zur Affeninsel, wo man sich mit halbzahmen Affen auf Fotos zum Affen machen lassen kann, von Indigenen Eingeborenen etwas vortanzen läßt und ein Dorf besucht, im dem die Einwohner mit Jungtieren wie Kaimanen, Affen und kleinen Jaguaren zusammenleben. Was mit den Tieren passiert, wenn sie ausgewachsen sind, konnte ich leider nicht herausfinden.
Ich buchte eine Bootsfahrt auf den Amazonas-Nebenarmen, um möglicherweise Tiere zu sehen. Aufregend, sich mit dem Boot durch den überfluteten Dschungel zu zwängen, Köpfe und Arme müssen im Boot bleiben, damit man nicht von zackigen Pflanzenarmen verletzt wird. Manchmal war der Weg versperrt und wir mußten uns einen anderen Ausweg suchen. Einmal streikte der Motor und es dauerte eine Weile, bis er sich erbarmte und wieder ansprang.
Auf der Wasseroberfläche des Amazonas blinzelten immerhin einige Delphinschnauzen hervor. Einem Faultier im Baum folgte Antonio vom Boot aus kletternd, bis das normalerweise sich in Zeitlupe bewegende Tier plötzlich verschwand.
Aus Filmen lernen wir, daß gefährliche Raubtiere wie Jaguare, Anakondas und Krokodile die Expeditionen im Amazonas-Dschungel bedrohten. Das ist natürlich eine Illusion. Insekten gibt es in nicht unbeträchtlicher Anzahl, dafür zeigten die Guides Antonio und Mario uns beim Dschungelspaziergang Bäume, die als natürliche Medikamente gegen Arthritis, Verletzungen oder gar als Verhütungsmittel helfen sollen.
Sie ließen uns das innere der Kakaobohne kosten, das wie dunkle Schokolade schmeckt.
Um eine Tarantel zu sehen, mußte Antonio in ihrem Baumnest herumstochern, bis endlich eine herauskam. Ein gefährlich schönes Tier, daß elegant einen winzigen Ast herauflief. Nachts gingen wir auf Kaimanjagd.
Die unfaßbaren Adleraugen von Mario entdeckten nach langem Suchen einen Kaiman, den er mit der Hand aus dem Wasser zog. Natürlich mußten die Franzosen aus der Gruppe mit dem Kaiman in der Hand fotografiert werden, um ihre vermeintliche Tollkühnheit zu zeigen, bevor er wieder ins Wasser durfte.
Antonio hatte eine kleine Anakonda unter seiner Hütte, mit der sich die ständig fotografierende Katalina aus Chile nicht auf ein Foto traute. Ich zeigte ihr, wie harmlos das Tier ist, solange man den Kopf festhält.
Abends spielten die Franzosen mit der Dorfjugend neben unserer Lodge Fußball, während mich die Mädchen zum Volleyball einluden. Als ich ihnen meine Spiegelreflexkamera zeigte, wollten alle mal fotografieren und eine war erfolgreich.
In der Lodge mit doppeltem Moskitonetz hielt sich das Mücken-Aufkommen in Grenzen, nur zum Abendessen draußen versammelten sie sich. Ich war vorbereitet mit langen Hosen und langem Hemd aus speziellem Stoff, den ich zusätzlich bespüht hatte und durch den sie nicht durchstechen konnten. So blieb ich die Einzige, die nicht gestochen wurde.
Um dem lauten Straßenverkehr in Leticia zu entfliehen, nahm ich ein Boot nach Puerto Narino, in dem es keine Straßen gibt. In der Paraiso Ayahuasca Lodge fand ich Unterkunft, ein mit wunderschönen, vom Besitzer Armando gemalten Bildern geschmücktes Zimmer samt Hängematte auf dem Balkon. Das hätte mein Lieblingsplatz werden können, wenn nicht der vom Langzeitgast Harry geliebte Fernseher darunter gewesen wäre.
Armando erzählte, wie er zum Schamanen wurde. Nach exzessivem Leben in Bogotà bekam er mit 32 Jahren Krebs. Er entdeckte das pflanzliche Rauschmittel Ayahuasca und nahm jeden Samstag etwas davon. Er änderte seine Lebensweise und Ernährung; da Fleisch toxisch ist, ißt er nur Fisch und frisches Gemüse ohne chemische Zusätze. Der Krebs verschwand. Jetzt bietet er Ayahuasca Zeremonien an. Die Visionen, die er dabei hat, verarbeitet er in seinen surrealen Bildern. Er unterrichtet Kunst und wirkt absolut mit sich im Reinen. Für eine Zeremonie konnte ich mich allerdings nicht so schnell erwärmen.
Ich wollte weiter mit dem „Rapido“ Boot nach Iquitos, Peru, das nur einen statt drei Tage braucht wie das Langsame, unangenehme Sanitäre Anlagen inklusive.
Hier wurden die Filme „Fitzcarraldo“ und „Aguirre, der Zorn Gottes“ von Werner Herzog mit Klaus Kinski gedreht. Wie es wohl damals zuging? Jetzt kommt man von der 700000-Einwohner-Stadt auf der Straße nicht weiter als 100 Kilometer, dann beginnt der undurchdringliche Dschungel. Trotzdem ist der Motorrad- und Motorcar-Verkehr horrend. Wie die Fahrzeuge wohl hierher befördert wurden? Boot oder Flugzeug sind die einzigen Alternativen.
Der einzig erträgliche Ort ist der Fußgänger- Boulevard am Fluß, wo der Langzeit-Radler Matthias, von Manaus mit dem Boot hergeschippert, und ich unser Stammlokal Fitzcarraldo entdeckten.
Es gibt sogar Cusquena, ein Weißbier aus Cusco mit Machu Pichu-Aufdruck. Ausflüge zu anderen Restaurants endeten mit Flucht vor den Autoabgasen, beziehungsweise dem unerträglichen Lärm.
Am Wochenende füllt sich das Amphitheater mit Zuschauern am Boulevard, die sich bei seltsamen Performances amüsieren. Wir gönnten uns noch einen Besuch bei der Pilpintuhuasi Schmetterlingsfarm, bei der wir lernen konnten, wie Schmetterlinge gezüchtet werden.
Auch vom Zoll beschlagnahmte Tiere wie ein Jaguar und ein Ozelot, sowie von der Polizei gefangene Affen, die zu Dieben abgerichtet wurden, finden hier eine neue Heimat. So kamen wir doch noch dazu, einen Jaguar, leider hinter Gittern, zu sehen.
Ich konnte es kaum erwarten, Iquitos zu verlassen und nahm das nächstmögliche Flugzeug nach Lima. Beim Einchecken merkte ich, daß mein Handy weg ist. Wollte mich Iquitos nicht loslassen? Schließlich hatte ich eine Salsa-Bigband dieses Wochendende verpaßt, das Plakat erst jetzt gesehen. Mein Mobiltelefon wird warscheinlich noch in meinem Zimmer aufgeladen.
Also raste ich raus und nahm einen Motorcar zurück zum Hotel, während ich mir ausmalte, was ich mache, wenn es nicht auffindbar ist. Der Manager sah mich, machte die Schublade auf und hurra, nahm es heraus! Glück gehabt, jetzt hieß es, das Flugzeug rechtzeitig zu erreichen, auch das klappte, gottseidank!
Tips für Leticia und Iquitos:
Oropax und Mund- beziehungsweise Atemschutz, Mückenabwehr und langärmelige Kleidung mitnehmen!
Ava-Tours gegenüber dem Waira-Hotel in Leticia kann ich für Ausflüge empfehlen, vermieten auch Zimmer und sprechen Englisch und Französisch. Im Waira gibt´s ein tolles Frühstücksbuffet.
Café Mona in Iquitos ist gut und nicht direkt an einer lauten Straße, so das man gemütlich sein Frühstück oder einen Snack einnehmen kann.